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Zur Frage nach dem Menschlichen im zeitgenössischen Theater – ein diffraktives Lesen von „Still Life. A Chorus for Animals, People and All Other Lives“ (Marta Górnicka, 2021) und „Die Kränkungen der Menschheit“ (Anta Helena Recke, 2019)
The essay examines two examples from contemporary German-speaking theatre in relation to aesthetics of the posthuman. Although theatre is made by and for humans, I show how both examples interrogate and ultimately negate a historical configuration of the human and of humanity. In Marta Górnicka’s Still Life (2021 Maxim-Gorki-Theater, Berlin) and Anta Helena Recke’s Die Kränkungen der Menschheit (2019 Münchner Kammerspiele, Munich), the question of the human is negotiated differently but aesthetically similarly – namely with a many-voiced chorus. While Gornicka’s production performs an indictment of Western, Eurocentric humanity and its violent exclusionary practices, Recke’s production performs a – if not the – insult of a Eurocentric conception of humanity through a performance by a choir of women of colour who are not bound to Western aesthetic norms and their epistemic embedding. Both productions use aesthetic strategies that demand worlds “after” the Eurocentric figuration of the human and can therefore be described as “aesthetics of the posthuman”.
Der Aufsatz untersucht zwei Beispiele aus dem deutschsprachigen Gegenwartstheater im Hinblick auf Ästhetiken des Posthumanen. Obwohl das Theater von und für Menschen gemacht ist, wird argumentiert und nachgewiesen, dass beide Beispiele eine historische Konfiguration von Menschen und Menschlichkeit befragen und schließlich negieren. In Marta Górnicka’s Still Life (2021 Maxim-Gorki-Theater, Berlin) und Anta Helena Recke’s Die Kränkungen der Menschheit (2019 Münchner Kammerspiele, München) wird die Frage nach dem Menschlichen verschiedentlich, aber ästhetisch ähnlich – nämlich mit einem vielstimmigen Chor – verhandelt. Während in Gornicka’s Inszenierung eine Anklage der westlichen, eurozentrischen Menschlichkeit und dessen gewaltvollen Ausschlusspraktiken aufgezeigt wird, vollführt die Inszenierung von Recke eine – wenn nicht gar die – Kränkung an einem eurozentrisch geprägten Begriff vom Menschen durch einen selbstverständlichen Auftritt eines Chores von Women of Color, der nicht an westliche ästhetische Normen und deren epistemische Verankerung gebunden ist. Beide Inszenierungen verwenden ästhetische Strategien, die Welten „nach“ der eurozentrischen Figuration des Menschen einfordern und daher zu „Ästhetiken des Posthumanen“ gezählt werden können.